
Zur Geschichte des Wohngebietes
„Ziegelhof-Krögerland"
Unser Siedlungsgebiet liegt außerhalb der Lübecker Innenstadt, und zwar in östlicher Richtung vom „Weltkulturgut" Altstadtkern. Lübeck selbst wurde im Jahre 1143 von Heinrich dem Löwen (Heinrich dem Städtegründer) auf dem Hügel „Buku" zwischen Wakenitz und Trave gegründet. Durch das fürstliche Privileg Friedrich des Zweiten von 1226 wurde ihr die Stadthoheit, einschließlich der Gerichtsbarkeit über ihre Innen- und Außengebiete, erteilt. Zu diesen großen Rechten gehörten deshalb auch die Feldmarken um die ganze Stadt herum. Das sind in etwa die Flächen einschließlich der dörflichen Ansiedlungen gewesen, die auch heute noch die bestehenden Lübecker Vorstädte ausmachen. Zur Sicherung der Stadt und ihrer Außenbezirke gegen die damals reichlich vorhandenen Feinde von außen entstanden nach dem 13. Jahrhundert die „Landwehr-Wälle" und andere Befestigungsanlagen. Im Osten verliefen diese von Schlutup durch das Wesloer Moor und weiter. Im Wesloer Bereich sind heute noch die Wälle der „Schwedenschanze" zu erkennen. An der Wakenitz bei Huntenhorst fließt noch der Grenzgraben zwischen Lübeck und Mecklenburg, der mit seinen Schanzen und Moorwasserflächen die geschäftige Hansestadt gegen Übergriffe der Mecklenburger Herzöge schützte. Die mit Dornen bepflanzten Wälle und sein Grenzflusswasser hießen damals „Hertogen Bäke". Einfahrten oder Durchlässe gab es für die anreisenden Handels- und Bauersleute nur an den großen Einfallsstraßen, in unserer Wohngegend zum Beispiel den Hof Brandenbaum nach Mecklenburg. Diese Grenzübergänge der damaligen Zeit ins Lübecker Einflussgebiet versah man namentlich mit dem eigentlichen Namen plus dem Begriff „Baum".
Der Brandenbaum, der Grenzbaum ganz in unserer Nähe, wurde bis 1806, wie auch die anderen Bäume rund um Lübeck, z.B. Moislinger Baum, Grönauer Baum, Geniner Baum u.a., als Zollstation vor Einfahrt in das Lübecker Stadtgebiet benutzt. Die weiter draußen gelegenen Feldmarken und auch einzelne Dörfer, wie z.B. Israelsdorf, Lauerhof, Wesloe, Nyendorpe (heute Brandenbaum), gehörten alle der Stadt Lübeck, die wiederum durch Verkauf an die Hufenbesitzer (Pächter) später in privaten Besitz übergingen. Allmählich entstanden durch Zukauf auch hier größere Höfe und Güter. 1256 war die Stadt Lübeck noch Eigentümer von Gut Nyendörpe (Gut Neudorf). Der Vorstadtname Brandenbaum entstand erst wesentlich später in den Jahren um 1800. Gut Brandenbaum selbst ist im Laufe der Jahre aus 12 kleineren Einzelhöfen zusammengewachsen. 1324 war der Lübecker Ratsherr Morneveg, Herr auf Gut Brandenbaum. Zu diesem Landbesitz gehörten damals auch die Ländereien an der Wakenitz, entlang der heutigen Waldersee- und Schlutuper Straße bis kurz vor Wesloe. Das Gebiet reichte dann weiter in Richtung Südosten am Grenzgraben entlang und flankierend die mecklenburgische Feldmark. Hohe-Warte war damals ein Nebenhof Brandenbaums. Die wohlhabenden Eigentümer bewirtschafteten die Höfe und Güter nicht selbst, sondern verpachteten sie an Bauern. Von diesen trieben sie dann mit mehr oder weniger Härte ihren „Zehnten" ein. Auf diesen Territorien fanden damals heftige Auseinandersetzungen mit den Nachbarn aus Mecklenburg und Holstein statt. 1506 wurden die Gebäude des Hofes Hohe Warte von den Kriegsleuten des Herzogs Heinrich von Mecklenburg niedergebrannt. 1535 kämpften, brandschatzten und raubten die Krieger des Herzogs Christian von Holstein in unserer Gegend.
Die Insel Spieringshorst muss in dieser Chronik besonders erwähnt werden. Sie liegt in der Wakenitz zwischen Kaninchenberg und dem 1. Fischerbuden und ist heute noch bewohnt. 1595 entstand hier eine Art Burg für den Bürgermeister Gotthardt von Höveln. Diese Burg bestand aus einem „Wehrhaus" mit Wirtschaftsgebäude und wurde erst um 1715 um zwei weitere Wakenitzfischer-Wohnsitze ergänzt. Der Name Spierings-Horst entstand durch den städtischen Schwanenmeister Spiering, der hier eine Zeit lang wirkte. Die Fischersiedlungen versah man zur damaligen Zeit immer mit dem Beiwort „Horst". So wurde dieser Ort einfach Spierings-Horst genannt. Bis in die 1930er-Jahre dieses Jahrhunderts wohnten und lebten auf dieser Insel noch zwei Fischerfamilien von der Wakenitz-Fischerei. Das in der Nähe liegende Gehöft „Kaninchenberg" gehörte der Stadt Lübeck bis etwa 1684 und wurde dann in private Hände gegeben. Auf diesem Hof wurde außer der obligaten Landwirtschaft auch eine Ölmühle, eine Schnapsbrennerei und eine Fabrik betrieben. Um das Jahr 1900 kam dann auch noch eine Baumschule dazu. Im letzten Krieg, von 1939 bis 1945 und noch kurze Zeit danach, gab es an dieser Stelle auch eine Sojabohnen-Zuchtanlage.
1806 geriet Lübeck mit in den „Napoleonischen Krieg", obgleich man sich fest vorgenommen hatte, sich aus derlei Dingen herauszuhalten. Französische Truppen erschienen Anfang November vor den Toren der Hansestadt und besiegten die Preußen unter ihrem General Blücher in der Schlacht auf dem Burgfeld. Von 1811 bis 1813 gehörten neben Schlutup auch Wesloe, Lauerhof, Gothmund, Israelsdorf, Marli, Hohe-Warte, Kaninchenberg und Brandenbaum zur französischen Verwaltung, der „Mairie Schlutup". Einige Namen erinnern noch heute an die Schlachten damaliger Jahre vor den Toren Lübecks. So gibt es z.B. in der Siedlung Ziegelhof den Blücherberg am Schanzenweg und die „Franzosenküche" auf dem Gelände der heutigen Christophorus-Kirche und des Kindergartens an der Schäferstraße.
1830 wurde die Brandenbaumer Chaussee, wie die heutige Brandenbaumer Landstraße damals hieß, ausgebaut und begradigt. 1860 wurden in den Wesloer Tannen mehrere Schießstände erbaut, die 1905 noch durch einen weiteren ergänzt wurden. Ein größeres Wachhaus, ein Scheibenhaus und sogar eine Schänke fanden hier schließlich ihren Platz. Die erste Polizeiwache außerhalb der Stadt zog 1874 ans Burgfeld und war für die Stadtteile St. Gertrud, Marli, Brandenbaum und Wesloe zuständig. Erst 1958 wurde diese Wache aufgegeben und in die Marlistraße verlegt, wo sie sich noch heute befindet und auch für unser Siedlungsgebiet zuständig ist.
Am 1. Juni des Jahres 1899 wurde die Marli-Badeanstalt und etwas später die Militär-Badeanstalt an der Wakenitz in Höhe der Alexanderstraße eingeweiht. Am 2. Juni des gleichen Jahres konnte dann auch die festliche Einweihung der Marlikaserne erfolgen, um Ende März 1938 in Meesenkaserne umbenannt zu werden. Dies erfolgte nach einer Schlacht des lübschen Regiments Nr. 162 aus dem Ersten Weltkrieg (1914-1918).
Der Name Ziegelhof, Teil unseres heutigen Siedlungsnamens, stammt aus der Gründungszeit einer Ziegelei dort um 1850-1860. Offiziell trug diese damals den Namen „Ziegelei Brandenbaum" und wurde von Rudolf Carl Müller auf dem Grund und Boden des Gutsbesitzers Hugo Sthamer gegründet. Später wurde dieser Betrieb von Friedrich Georg August Jansen erworben und betrieben. Alles nachzulesen im Original des Bau-Erweiterungsantrags. Im März 1867 erfolgte nach einer Anhörung und einer Besichtigung durch den Baudirektor und das Polizeiamt die Genehmigung. Diese Ziegelei muss offensichtlich sehr erfolgreich gearbeitet und gewirtschaftet haben, denn schon im März 1899 wurde bei den Behörden beantragt, sie in Zukunft mit Dampfmaschinen ausrüsten zu dürfen. In der Presse gab es damals schon eine öffentliche Befragung, ob die Bevölkerung gegen diese Art der Ausstattung der Ziegelei Einwände erhebt. Hugo Sthamer konnte seine für damalige Zeiten fortschrittliche Anlage bauen, denn Einsprüche gab es offensichtlich keine. Die Gebühr für die Genehmigung betrug 10 Mark plus die Kosten für die Anzeige von 3,15 Mark, zusammen also 13,15 Goldmark. So preiswert war früher eine Genehmigung von so hohem Rang – oder auch nicht? Denn damals bekam man einen Kammgarn-Anzug vom Schneider schon für 12 Mark und ein paar Pfennige.
Diese Ziegelei holte sich ihren Lehm östlich von ihrem Standort, heute noch zu erkennen an den Teichen „Krebs-Kuhlen". Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde es auf dem Baumarkt wesentlich ruhiger. Die Steine aus der Sthamerschen Ziegelei wurden auch nur noch als „Hintermauersteine" verwendet. Die Qualität aus dieser Gegend war offensichtlich nicht mehr gefragt, und die Kalksand-Industrie legte sich landesweit mächtig ins Zeug, sowohl was die Menge als auch den Preis betraf. Noch im Laufe des Krieges musste die Ziegelei ihren Betrieb einstellen. Während des Krieges und auch danach standen auf dem Lübecker Burgfeld ein Baracken-Lazarett aus 38 hölzernen Bauten samt Gemeinschaftsgebäude und ein Leichenhaus. Nach 1920 wurden aus diesen Holzhäusern Wohnbaracken, einige wurden in den 1930er-Jahren teilweise abgerissen oder sogar bis in den Zweiten Weltkrieg hinein weiterbenutzt.
Im Jahr 1920 entstanden die ersten Siedlungen um Lübeck herum aufgrund der großen Wohnungsnachfrage. Zu nennen sind die Siedlungen "Heimstätten", "Karlshof" und "Brandenbaum" und viele mehr. Eine gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft wurde gegründet, um preiswertes Bauland vom Staat für Siedler zu erwerben. Die Finanzierung der Häuser erfolgte nach dem Prinzip der Selbsthilfe, ergänzt durch günstige Hypotheken und staatliche Unterstützung. Der Grundgedanke war und ist es, Arbeitern und kleinen Angestellten ein Leben in ihrem eigenen Haus mit Garten zu ermöglichen und sich zumindest mit Obst und Gemüse selbst zu versorgen. Die Grundstücke hatten in der Regel eine Größe von etwa 800 bis 1000 Quadratmetern und boten viele Möglichkeiten.
Zwischen 1920 und 1928 entstanden auf diese Weise etwa 100 schmucke Eigenheime in Karlshof und etwa 80 in Brandenbaum. Im Jahr 1926 wurde der erste Kindergarten, damals als "Kinderhort" bekannt, errichtet. Eine Baracke auf dem Gelände der 2. St. Gertrud-Knabenschule in der Heinrichstraße 21 diente damals 50 Kindern als Vorschultagesstätte, wenn die Eltern tagsüber arbeiteten. Später wurde in der Marlistraße neben dem Marli-Park ein fester Kindergarten gebaut.
Die folgende schreckliche Geldentwertung, die Inflation, zerstörte viele Existenzen und auch unser Geld. Sie behinderte auch die Bautätigkeiten in unerträglichem Maße. Die Wochenlöhne stiegen in schwindelerregende Höhen, aber man konnte nichts mehr dafür kaufen, wenn man es nicht rechtzeitig schaffte, mit dem Geldpaket zum Kaufmannsladen zu rennen.