Erinnerungen an unsere Kinderzeit in der Siedlung Ziegelhof vor dem 2. Weltkrieg

Rückblickend muss der Autor Richard Wulf bekennen, und damit spricht er sicherlich den meisten seiner damaligen Kameraden aus der Seele, wir Kinder hatten die schönsten Spielplätze der Welt! Es gab Wasser zum Baden in der nahen Wakenitz, in "Neu Travemünde" unterhalb der Isegrimstraße. Leider hat man das Spaddeln (mit den Füßen im Wasser plantschen) dort schon 1936 verboten, weil die Wakenitz zum Trinkwasserspender für das nahe Wasserwerk gemacht wurde. Wir gingen damals einfach zum heutigen Seerosenteich in Eichholz zum Schwimmen. In der Krebskuhle badete damals kaum einer von uns, weil Gerüchte vom „Absacken und Ersaufen' dort, in allen Altersschichten die Runde machten. Badestellen gab's auch im nahen Stoffershorst und natürlich in der Marli-Badeanstalt.


Es gab mehrere Hügel in unserer Wohngegend, z.B. den Blücherberg am Schanzenweg. Die Franzosen-Küche an der Stelle, wo heute die Kirche steht, den Denkmals-Berg, drei Hügel an der Stelle, wo heute die Straße "Im Eulennest" verläuft, und ein Hügel, wo in etwa heute der Kinderspielplatz "Im Musennest" ist. Die letztgenannte Anhöhe hatte eine besondere Bedeutung, denn dort stand die Holzkonstruktion des trigonometrischen Vermessungs-Punktes. Alle Hügel wurden in den Wintermonaten bei Schnee zum Rodeln und Rutschen benutzt, wobei man gern von der Franzosen-Küche, direkt neben Wulfs Haus, abfuhr und herumtollte. Als Spielplätze liebte man natürlich alle Straßen auf dem "Ziegelhof", die leider damals nicht befestigt waren. Unterhalb der Isegrimstraße gab es auch damals schon einen Abenteuer-Spielplatz, "das Gummiland". Erlen standen dort zum Teil im Wasser und teils auch schon verlandet etwas höher. Die Herrnburger Heide und die Palinger Heide waren weitere bunte, beliebte, aber leider etwas weiter entfernt liegende Spielorte. Waldspielorte gab es bei den Schießständen in Wesloe. Hinter der Krebskuhle waren Schonungen, auf die aber der Förster immer ein besonderes Auge hatte. Am heutigen Kaninchenberg an der Bahnstrecke hatte der "Lauerhof" einen riesigen Strohhaufen von 100 Quadratmetern und 6 Metern Höhe aufgetürmt. Aufpassen lernten wir an der Wakenitz vor der Wakenitz-Polizei, im Wald vor dem Revierförster und beim Strohhaufen schlich Oberwachtmeister Boldt und vor allem Hannes Benthin herum.


Hannes aus der Brandenbaumer Landstraße 205 hatte als unfallgeschädigter Rangierer lange Erholungszeiten. Wir hatten es in Sachen Schikane damals auch leider auf Hannes besonders abgesehen. Wenn er nicht in Sicht war, dann marschierten wir vor seinem Haus auf und ab und sangen "Oh Hannes, watt'n Hoot!" Das ärgerte den wackeren Mann furchtbar und er kam schließlich böse hinter uns her! Er drohte uns Prügel an, aber geschlagen hat er uns nie. Er wollte alles unseren Eltern sagen, auch das tat er nie. Es machte wohl damals jedenfalls immer wieder einen satanischen Spaß, jemanden zu ärgern. Im Sommer spielten wir, solange es unsere Eltern und die damalige Hitler-Jugend zuließen: Verstecken, Kibbel-Kabbel, Piggerspiel, Burgen bauen, Floß bauen und was sonst noch alles mit kaum oder wenig Geld möglich war. Im Herbst ging es sofort los mit "Drachensteigen" und zu den noch auf den Feldern stehenden Getreidehocken, um in ihnen Versteck zu spielen. Im Sommer fand man uns meistens in "Neu Travemünde" zum Baden. Dorthin kamen auch viele Kinder aus der übrigen Gegend um uns herum und auch aus der Stadt Lübeck selbst.


Otto Spei von der Straße "Am Pohl" kam dann mit seinem Eiswagen samt Esel davor und versuchte, an uns noch ein paar Groschen zu verdienen. Unsere Spielplätze reichten übrigens vom "Dreifelder Weg" bis hin nach Herrnburg und von der Wakenitz bis in die Palinger Heide. Fußball wurde überall dort gespielt, wo man gerade wollte und wo möglichst viel Lärm gemacht werden konnte. Die meisten Ländereien um uns herum wurden von der Strafanstalt Lauerhof bewirtschaftet, d.h. ab 17.00 Uhr mussten die "Knackies" in den Bau zurück, und die Luft war rein. Leider waren durch den Kasernenbau wie die Erweiterung der Meesenkaserne und der Waldersee-Kaserne unsere in der Nähe liegenden drei Berge, "Blöss seine Berge", abgetragen worden. "Blöss seine Berge" deshalb, weil hier ein alter Mann samt seinen Hühnern, einer Ziege, einem Schaf und einigen Kaninchen hauste. Der Sand von diesen Hügeln wurde für die Kasernen-Antrete- und Exerzierplätze gebraucht. Im Herbst kletterten wir Jungs mit Ausnahme eines Mädchens, Hilde Werner, die ja fast ein Junge war, in die Kastanienbäume, um die schönen und begehrten Früchte aus den Bäumen zu schütteln. Spielen hätten wir rückschauend eigentlich überall können, wenn wir nur mehr Zeit gehabt hätten. Richard Wulf und sein Bruder mussten schon damals zu Hause viel helfen und mitarbeiten. Vater Theo Wulf steckte nämlich voller Ideen und voller Arbeitswut. Erst hat er sein Haus gebaut, dann hat er es neu verblendet, dann einen großen massiven Stall dazu gestellt, und am Wohnhaus eine große und schöne Glasveranda vorgebaut, und von den rund 6000 qm Land gar nicht erst zu sprechen.


Bei Borcherdings und bei Schildpatts war es aber auch nicht viel anders. Bei manchen gab's früher als Kind von den Eltern tüchtig Prügel, und das für jeden kleinen Fall. Ganz entsetzt fragt man sich heute nach dem Sinn dieser unnötig harten Erziehung. Vielleicht hat es uns doch nicht so sehr geschadet und die persönliche Meinung vom Jubiläums-Buchschreiber lautet: „Was wir zu viel bekommen haben an Bestrafung, das kriegen manche Kinder heute zu wenig.“