Entstehung der Siedlung „Brandenbaum“ als Vorgänger in der Siedlungsgemeinschaft „Ziegelhof-Krögerland“

Die Siedlung Brandenbaum wurde am 16. September 1924 mehr oder weniger durch die Eigeninitiative der Sängerinnen und Sänger sowie des Lichtvereins der Siedlung gegründet. Jede Sangesstimme bekam einen Stimmführer und somit eine Stimme im Vorstand. Sopran war Frau Blanke, Tenor Karl Schmidt, Altstimme Frau Jöhnk und Bass Herr Jöhnk. Diese Siedler nannten sich fortan Interessengemeinschaft und beschlossen am 14. Januar 1927, dass alle Geldüberschüsse aus den Veranstaltungen dem Chor-Verein zugutekommen sollen. Das Dekret wurde von E. Rolf als Schriftführer und Karl Schmidt als 1. Vorsitzender unterschrieben. Der "Chor-Verein", so nannte man diese Vereinigung der Sangesbrüder und -schwestern, hatte Probleme mit den Mitgliedern. Der damalige Dirigent Blohmke bemängelte die geringe Teilnehmerzahl bei gelegentlichen Treffen. Deshalb wurde im Herbst desselben Jahres eine Werbeaktion durchgeführt, um diesen Zustand zu ändern. Es gab auch Probleme beim Geld-Einsammeln, und so wurden Unterkassiererinnen eingesetzt, die jeweils für eine Straße den Beitrag einsammelten. Das erste Kinderfest in Brandenbaum fand am 13. August 1927 statt. Johannes Blanke bot damals an, eine Musikabteilung für die Jugend einzurichten und sich um die Ausbildung der Trommler und Pfeiffer zu kümmern. Dieser Jugendmusik-Trupp sollte dann eine Unterabteilung des eigentlichen Chorvereins werden. Sein Vorschlag wurde von der Vollversammlung einstimmig angenommen.


In der Versammlung am 27. Juni 1927 stellte Hannes Blanke den Antrag, eine Hauskapelle zu gründen. Spontan beschloss man, 23 bis 25 Reichsmark für den Kauf der notwendigen Instrumente zu bewilligen. Auch diesem Antrag wurde einstimmig stattgegeben. Auf der Generalversammlung am 9. Januar 1928 wurde auf Vorschlag von Hannes Blanke eine Theatergruppe ins Leben gerufen. Die Siedler Paduhn und Ernst Rolf wurden zum Leiter dieser Gruppe ernannt. Bei einem Treffen am 7. Mai 1928 stellte der Siedler Jöhnk den Antrag, bei solchen Anlässen keinen Alkohol mehr auszuschenken. 16 Mitglieder stimmten dagegen, aber 22 Ja-Stimmen gaben den Ausschlag. Das Vereinslokal war die Gaststätte "Bertramshof", gegenüber der Meesenkaserne. Feiern tat man damals im "Gesellschaftshaus Marli", aber alle Kinderfeste fanden in der Siedlung selbst und unter freiem Himmel statt. Nach dem Chor- und Theaterverein wurde nun auch eine Sportabteilung gegründet, für die der Chorverein einen neuen Fußball stiftete. Am 8. April 1930 wurde in der Versammlung über eine Schutzhütte gesprochen, die als Vorläufer des heutigen Gemeinschaftshauses angesehen werden kann. Natürlich gab es auch kleine Ärgernisse und Rückschläge. So hatte sich in Brandenbaum eine Radfahrabteilung gegründet, die ihre Treffen im "Siedlerkrug" abhielt und sich damit vom eigentlichen Verein abspaltete. Am 10. Januar 1933 wird von einer Feier im Gemeindehaus berichtet, und es erfreut weiterhin, dass die Übungsabende schon im Gemeindehaus stattfanden.


Der Sangesbruder Runge stellte auf einer der Versammlungen den Antrag, den Namen des Vereins zu ändern und ihn in "Siedlerverein" umzubenennen. Dieser Antrag wurde damals abgelehnt, und der Name "Interessengemeinschaft" blieb erhalten. Im April desselben Jahres wurde in einer Versammlung der Antrag gestellt, den Verein ins Vereinsregister einzutragen und eine Schankkonzession für das Gemeinschaftshaus zu beantragen. Beides wurde für spätere Jahre zurückgestellt, und stattdessen wurde festgelegt, dass es auf Kinderfesten zukünftig alkoholfrei sein sollte. 1931 nahm die Arbeitslosigkeit weiter zu, so dass die Siedler eine Weihnachtsfeier nur für die Kinder der arbeitslosen Siedler ausrichten konnten. Der Mitgliedsbeitrag für arbeitslose Mitglieder wurde auf 20 Pfennig pro Vierteljahr festgesetzt, und die Müllabfuhr wurde weiterhin von Karl Schmidt erledigt. Jeder Siedler musste jedoch für seinen Anteil an den Kosten selbst aufkommen. 1932 brannte es bei Möllers in der Burgkoppel! Dieses Ereignis war Anlass zu massiver Kritik. Das Mitglied Blanke bemängelte, dass schon Parteifahnen in der Siedlung gezeigt wurden. Am 12. August 1932 fand ein Wechsel im Vorstand der Interessengemeinschaft statt. Rudolf Hacker wurde durch Hannes Blanke ersetzt. Im Januar 1933 wurde der Vorstand erneut verändert. Rudolf Hacker kehrte als 1. Vorsitzender zurück. Obwohl eine Vergrößerung des Vereinshauses dringend notwendig war, wurde die Durchführung vorerst zurückgestellt. Am 6. Mai 1933 fand eine stark besuchte Versammlung statt. Die Tagesordnungspunkte waren:


1.    Sinn der Gleichschaltung

2.    Neuorientierung der Interessengemeinschaft

3.    Besprechung des nächsten Kinderfestes


Bis dahin nannten sich die Mitglieder der Interessengemeinschaft "Chorsänger", dann "Genosse" und dann "Partei-Genosse". Jeder "PG" musste ab sofort mit "Heil Hitler" gegrüßt werden, und am Ende jeder Versammlung wurde der Ausruf "Sieg Heil!" geschrien. Auf der genannten Versammlung sprach Partei-Genosse Karsch von der Siedlung "Dornbreite". Er wurde vom Polizei-Amt mit der neuen Regelung im Siedlungswesen betraut. Alle Siedler sollten jetzt nach nationalsozialistischen Grundsätzen als "Volksgenossen" zusammengeführt werden. Im Sinne der NS-Erziehung und der Volksgesundheit sollte in Zukunft gedacht, gehandelt und vorgelebt werden.


Zu Beginn des Jahres 1933 lebten etwa 22.000 Menschen in Siedlungen, was fast ein Sechstel der Lübecker Bevölkerung ausmachte. Ab diesem Zeitpunkt gehörte bei Kinderfesten Girlanden an jedes Haus und möglichst viele Hakenkreuz-Fahnen dazu. Der Vorsitzende der Siedler wurde fortan "Siedlungs-Führer" genannt. Es wurde eine neue Siedlungs-Fahne gesammelt, die selbstverständlich das Hakenkreuz trug. Die Siedler wurden aufgerufen, für die Zeitung "Lübecker Volksboten", früher das SPD-Parteiorgan und nun NSDAP-Blatt, zu werben und dafür pro angeworbenem Leser eine Mark zu kassieren. 30 Pfennige gingen an den Werber und 70 Pfennige an den Siedlerbund. Der sogenannte Parteiführer der Siedlung, "Parteigenosse" Ruschkowski, griff streng durch. Doppelverdiener wurden gezwungen, einen Teil ihrer Beschäftigung aufzugeben, und alle Frauen wurden dazu verpflichtet, sich um den Haushalt zu kümmern. Die Jugend wurde in das Deutsche Jungvolk (DJ) und die älteren Jugendlichen in die Hitler-Jugend (HJ) eingegliedert. Wer dem nicht freiwillig nachkam, wurde mit Zwang dazu gedrängt. Auf dem Reichsparteitag 1933 in Nürnberg wurde angeordnet, dass es im "Dritten Reich" nur noch einen "Siedlerbund" geben dürfe. Alle Fachschaften der Kleingärtner, Siedler usw. wurden unter diesem einheitlichen Dach zusammengeführt. Veranstaltungen jeglicher Art mussten fortan mit beiden Nationalhymnen und dem Ausruf "Sieg Heil!" beendet werden.


Im Mai 1933 wurde der Erweiterungsbau des Gemeinschaftshauses fertiggestellt und eingeweiht. Es fehlten lediglich 500 Reichsmark bei der Abrechnung, die durch Anteilscheine eingeworben werden sollten. Die erste Geschäftsstelle des Siedlerbundes wurde im Hause der "Invalidenversicherung" in Lübeck eingerichtet. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 25 monatliche Pfennige festgesetzt. Zur Unterstützung der Siedlerführung wurden vier Blockwarte bestimmt. Es handelte sich dabei um Herrn Duncker (Am Pohl 33), Herrn Rickert (Heiweg 61), Herrn Völkel (Burgkoppel 16) und Herrn Rohde (Brandenbaumer Landstr. 41). Es wurde auch eine "Schweine Gilde" gegründet.


Nach dem verlorenen Krieg von 1939 bis 1945 fand am 2. Februar 1946 die erste Versammlung der "Siedlungsgemeinschaft" statt. In dieser Versammlung wurde mit den Praktiken, die während der Zeit der Nationalsozialisten durchgeführt wurden, gründlich aufgeräumt. Ein neuer und politisch neutraler Vorstand wurde eingesetzt. Johannes Blanke, der viel für die Jugend der Siedler getan hatte, stellte sich auch dem neuen Vorstand zur Verfügung, wurde aber bei der Abstimmung nicht gewählt. Man übelte ihm anscheinend, dass er das Gemeinschaftshaus an das "Rote Kreuz" zur Unterbringung von Ostflüchtlingen vermietet hatte. Es wurde beschlossen, eine Satzung zu entwerfen, die demokratischen Grundsätzen folgte. Die Siedlung Brandenbaum wurde fortan "Arbeiter und Wohlfahrt e.V. für Kleingärtner und Kleinsiedlung" genannt. Es wurde überlegt, ob auch Mieter in der Siedlung Mitglieder im Siedlerbund werden sollten, jedoch mit einem reduzierten Beitrag von 20 Pfennig. Es wurde angeregt, dass dieses zusätzliche Geld dann auch in der Siedlung verbleiben sollte.


Im Januar 1953 wurde Johannes Blanke zum Ehrenvorsitzenden gewählt, da er aus gesundheitlichen Gründen den zeit- und kraftraubenden Vorsitz der Gemeinschaft nicht mehr ausüben konnte. Im Jahr 1954 gab es eine hitzige Versammlung, bei der drei männliche Mitglieder und eine Ehefrau "Geld unterschlagen" hatten. Alle vier Personen wurden namentlich genannt und mussten den entstandenen Schaden wiedergutmachen. Drei von ihnen erhielten außerdem ein zehnjähriges Hausverbot für das Gemeinschaftshaus. Zwei Siedler legten Einspruch gegen die Entscheidung ein, woraufhin der Landesverband eingeschaltet werden musste. Ein Wirtschaftsprüfer stellte den entstandenen Schaden fest und errechnete Kosten von über 250 DM. Da die Siedler den Schaden nicht begleichen konnten oder wollten, wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.


Am 27. Januar 1955 hatte die Siedlung Brandenbaum, nachdem sich die Siedlung Ziegelhof 1947 von ihr abgespalten hatte, 169 Mitglieder im Deutschen Siedlerbund und weitere 199 über die Interessengemeinschaft, insgesamt also 368 Siedler. Auf einer Mitgliederversammlung wurde beschlossen, am 7. Mai 1955 ein Fest zum 25-jährigen Bestehen des Gemeinschaftshauses abzuhalten. Eine Chronik für die Siedlungsgemeinschaft sollte erstellt werden, jedoch kam es nicht dazu, und die heutige Vereinsführung ist dafür verantwortlich. Die Vorsitzenden der Gründungsversammlung von 1926 bis 1955 waren:


1926 - 1929 Karl Schmidt

1930 - 1932 Rudolf Hacker

1932 - 1933 Johannes Blanke

1933 - 1934 Vier Vorsitzende, mal mit und mal ohne NSDAP-Parteibuch

1934 - 1946 Otto Rath und Hannes Blanke

1946 - 1949 Rudolf Hacker

1949 - 1952 Hannes Blanke

1953 - 1953 Paul Molt, Ehrenvorsitz: Hannes Blanke

1953 - 1955 Arthur Schöningen