Die Versorgung mit elektrischem Strom in Lübeck

1854 erfand der Deutsche Heinrich Göbel die Kohlefaden-Glühlampe. Genau 25 Jahre später, im Jahr 1879, wurde diese Glühlampe vom Amerikaner Thomas Alva Edison zur Serienreife entwickelt. Die Hansestadt Lübeck kann sich rühmen, eine der ersten Städte in Deutschland gewesen zu sein, die Edisons elektrische Lampe mit einem eigenen Elektrizitätswerk einsetzten. Bereits 1887 wurden erste Geschäfte und Behörden in Lübeck mit elektrischer Energie versorgt. Die Stromversorgung für Häuser erfolgte damals mit 110 Volt Gleichstrom. Diese Entscheidung wurde von der Lübecker Bürgerschaft am 18. Juli 1886 getroffen.


Am 16. November 1887 wurde das erste kommunale Kraftwerk Deutschlands in der Mengstraße 26 in Lübeck in Betrieb genommen. Bald darauf musste es aufgrund der gestiegenen Nachfrage mehrmals erweitert und vergrößert werden. Diese Anlage blieb bis zum 28. März 1942 in Betrieb und fiel dann den Bombenangriffen zum Opfer. An dieser Stelle wurde kein neues Kraftwerk wieder aufgebaut, stattdessen bezog man Strom von den Kraftwerken Siems und Herrenwiek. Am 18. Januar 1887 erhielt die Firma Siemens-Schuckert aus Nürnberg den Auftrag für die gesamte Kabelverlegung in Lübeck sowie den Bau des Elektrizitätswerks.


Bei Beginn der Arbeiten stellte der Montage-Ingenieur Köhn fest, dass es keinen Bauplan für das Projekt gab und auch keine Baugenehmigung vorlag. Lediglich der Lieferant der benötigten Dampfmaschinen hatte bereits seine Pläne eingereicht. Der damalige Baudirektor Lübecks war nicht hilfsbereit und gab keine Hinweise. Sein Stellvertreter, der Bauinspektor Spiering, war jedoch sehr kooperativ und erlaubte dem Montage-Ingenieur, eigene Zeichnungen und Pläne anzufertigen. Innerhalb von 24 Stunden erhielt der kreative Maschinenbauer die erste Genehmigung von Spiering, die dem Bauinspektor des Baudirektors zugeschrieben wurde.


Es gab jedoch Schwierigkeiten bei den Gründungsarbeiten und der Beschaffung der Kabel. Außerdem hätte bereits 14 Tage vor Baubeginn eine Meldung an die Polizeibehörde gemacht werden müssen, was unter den gegebenen Umständen nicht immer eingehalten werden konnte. Dadurch kam es zu Ärger mit der Polizei. Der zuständige Polizeileutnant meldete den Fall dem Polizeisenator, der den Bauingenieur inhaftieren lassen wollte, wenn er den polizeilichen Anweisungen nicht folgen würde.

Die erste Ausbaustufe des Elektrizitätswerks ermöglichte den Betrieb von 3000 Glühlampen mit jeweils 10 Normalkerzen (heute Watt) Leuchtkraft und 10 Bogenlampen mit je 4 Ampere. Das E-Werk in der Mengstraße betrieb drei Dampfkessel mit einer Heizfläche von jeweils 70 Quadratmetern und drei Dampfmaschinen: zwei mit 115 PS und eine mit 50 PS Leistung. Die Strom-Lieferbedingungen sahen vor, dass ein Hausanschluss 50 Mark kostete und jeder Lampenanschluss im Haus zwischen 10 und 20 Mark. Der jährliche Mietpreis für 10 bis 110 Kerzenleuchten lag zwischen 8 und 40 Mark, und defekte Glühlampen wurden kostenlos ersetzt. Ansonsten wurden die Kosten pauschal berechnet. Die Kilowattstunde Strom kostete damals zwischen 2,5 und 25 Pfennigen, was für viele Bürger nicht erschwinglich war.


Es ist zu beachten, dass der Stundenlohn eines Handwerksgesellen vor der Jahrhundertwende bei 25 Pfennigen lag, was wöchentlich etwa 18 Mark entsprach. Trotz dieser Preise wurden mit diesem Geschäftsmodell Gewinne erzielt. 1897-1898 wurde in der Mengstraße eine Ausstellungshalle eröffnet, um den zukünftigen Verbrauchern zu zeigen, welche elektrischen Geräte damals auf dem Markt erhältlich waren. Im Jahr 1898 wurden immerhin 2426 Besucher gezählt. In diesem Jahr wurde das Kraftwerk weiter ausgebaut und Gleichstromgeneratoren mit einer Leistung von 400 kW und 260 bis 350 Volt Gleichstrom angeschafft. Um 1900 wurde ein dritter Dampfkessel mit 215 Quadratmetern Heizfläche und 400 kW Generatorleistung installiert, zusätzlich wurde eine zweite Akkumulatoren-Batterie für die nächtliche Straßenbeleuchtung bereitgestellt. 1903 wurde der Stadtteil St. Lorenz als erster Vorort Lübecks verkabelt.

1905 wurden auch St. Gertrud und St. Jürgen mit Strom versorgt, und von 1906 bis 1907 belieferte das Elektrizitätswerk die Straßenbahn mit 263.000 kWh Fahrstrom. Die Gesamtstromproduktion betrug 542.000 kWh für Lichtstrom und 314.000 kWh für Kraftstrom. Im Jahr 1913 übernahm die Überlandzentrale, wie die Kraftwerke damals genannt wurden, die direkte Belieferung von Großkunden. Im Jahr 1920 gab es bereits 4.000 Abnehmer mit einer Leistung von 100.000 Glühlampen und 4.500 PS Motoren. Die Spannung wurde von 2 x 110 Volt Gleichstrom auf 2 x 220 Volt Gleichstrom umgestellt.


Im Jahr 1923, während der Zeit der Inflation, wurden die Strompreise täglich neu festgelegt. Im Januar kostete eine Kilowattstunde 275 Mark, im Oktober stieg der Preis auf 60 Millionen Mark und Ende November 1923 erreichte er schließlich 450 Milliarden Mark. Ende 1923 wurde dann die Rentenmark eingeführt, und die schreckliche Inflation endete. Von 1924 bis 1927 wurde viel über Drehstrom diskutiert, und große Kunden und Vorstädte wurden bereits mit Wechselstrom versorgt. Im Jahr 1929 erwiesen sich die alten Aluminium- und Stahlseile, die als Freileitungen verwendet wurden, als störanfällig und wurden nach und nach durch Kupferseile ersetzt.


Im Jahr 1934 wurde in der Mengstraße ein Hochspannungsschalthaus errichtet, in dem alle ankommenden und abgehenden 6-KV-Kabel zusammengeführt wurden. Doch am 1. April 1937 verlor die Freie und Hansestadt Lübeck ihre Reichsfreiheit und wurde in das Land Preußen eingegliedert, wodurch auch die städtischen Kraftwerke ihre Selbständigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Ab dem 1. Januar 1941 wurden sie als kommunale Eigenbetriebe geführt. Das Wohngebiet Ziegelhof-Krögerland erhielt wie bereits erwähnt als erstes eine elektrische Versorgung. Es wurden Transformatorstationen an der Ecke Heiweg/Am Rund und in der Brandenbaumer Landstraße 205/207 errichtet. Letztere versorgte den "Ziegelhof" mit elektrischer Energie. Eine Freileitung wurde von der Travo-Station bis zum Dreifelder Weg verlegt, und von dieser Leitung zweigte eine Abzweigung mit 220 V/380 V zur Schäfer- und Isegrimstraße ab. Zwei weitere Leitungen versorgten den Schanzenweg und die Straße Am Schaar. Diese Leitungen wurden von der Firma Robrahn aus der Langen Reihe verlegt, und ihr Monteur war Alfred Hädel. Nach und nach schlossen sich immer mehr Siedler an das Stromnetz an.


Die meisten Häuser waren eingeschossig und hatten kein Giebeldach, sondern ein Flachdach. Der Hausanschluss musste daher vom Mast aus über Kabel ins Haus geführt werden und diente dann als Endverzweigung mit einem plombierbaren Kasten und einer 10-Ampere-Sicherung im Haus. Dazu kam eine Zählertafel mit einer 6-Ampere-Sicherung und natürlich die Weiterleitung der Kabel in alle Zimmer des Hauses.